Ausstellung | Claudia Weiser, ‘Das auratische Objekt’ bei Sies + Höke, Düsseldorf, Deutschland

nrwheute
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Materialien sind laut Monika Wagner “Indikatoren sozialer Sensibilitäten”, da sie durch die “Geschichte ihrer Verwendung” bereichert werden. Dies allein reicht aus, um soziale Codes durch sie zu übertragen. Laut der Hamburger Kunsthistorikerin wird durch den Übergang vom praktisch-funktionalen Bereich in einen ästhetischen Bereich die Ordnung gründlich durcheinandergewirbelt und damit die “Hierarchie der Materialien” verschoben. Die “geliebten Grenzen zwischen hoch und niedrig” verschieben sich dadurch.

Fasern, die in Teppiche gewebt sind, mit ihrer reichen kulturellen Geschichte und vielfältigen Codierungen, waren von Anfang an schwer in einer solchen Hierarchie zu positionieren. Sie scheinen von Anfang an mit allem auf vielfältige Weise verbunden zu sein: mit hoch und niedrig, mit dem praktisch-funktionalen Bereich und dem Bereich von Kunst und Darstellung, mit Handwerk und High-Tech, als zugrunde liegendes Medium für sakrale und profane Rituale, ebenso wie das Feld modernistischer Experimente. Für einige stellen diese künstlerischen textilen Verbindungen sogar die stillschweigenden Annahmen über die hierarchische Stellung von Kunst an sich in Frage.

Claudia Wieser, die einige großformatige Wandteppiche für ihre Ausstellung geschaffen hat, sagt: “Weben ist ein komplexer Prozess.” Die in Berlin ansässige Künstlerin verwebt unterschiedliche Bildtypen zu hybriden Collagen: malerische und grafische Elemente, fotografisches Fundmaterial, organische und geometrische Formen. Während der Produktion konnte die Künstlerin in den Webprozess der Maschine eingreifen und so das Ergebnis direkt beeinflussen. Die Hybridität zeigt sich jedoch nicht nur in dem, was gewebt wurde – nämlich Baumwolle, Wollgarn, Silberfäden, synthetische Materialien und Kaschmir – sondern auch wie. Durch den Einsatz unterschiedlicher Webtechniken und die Variation des Schwebestichs der Kett- und Schussfäden betonte die Künstlerin den dreidimensionalen Charakter des Stoffes.

Der Ausstellungstitel “Das Aura-Objekt” kann als Verweis auf Walter Benjamin und seinen berühmten Essay “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” von 1936 gelesen werden, in dem der Autor die Aura als “die einzigartige Erscheinung einer Ferne, wie nahe sie auch sein mag” definiert, um sofort ihren “Verfall” als Resultat ihrer technischen Reproduzierbarkeit durch Fotografie und Film zu diagnostizieren. Benjamin prophezeite eine “Prüfungs” -Ablenkung als neue Form der Kunstwahrnehmung. In diesem Sinne können die gewebten Bilder von Claudia Wieser vielleicht als Einladung zum Testen der eigenen sinnlichen Wahrnehmung verstanden werden: haptisch und visuell. Sie eröffnen einen Raum von immenser Zeitlichkeit, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verflochten sind.

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