Als das Stück beginnt, erscheinen Tänzer in formeller Kleidung, tragen Stühle, bewegen sich durch die Blumen und setzen sich schweigend, erwartungsvoll hin. Richard Tauber singt dann Franz Lehárs “Schön ist die Welt”. Über die nächsten zwei Stunden wird das Stück diese Idee in ein Kaleidoskop verschiedener Elemente und Perspektiven verwandeln, obwohl keine endgültige Auflösung des Musters angeboten wird. Bauschs Arbeitsmethode bestand darin, ihrem Team individuell eine lange Liste von Fragen zu stellen, um sie dazu zu bringen, ehrlich auf ihre Antworten zu reagieren. Für Nelken aus dem Jahr 1982, dessen neueste Aufführung am Valentinstag eröffnet wurde, drehten sich die Fragen meist um Liebe – wie die Tänzer sich das vorstellten, was ihre erste Liebe war, wie sie reagierten, wenn sie gezwungen wurden zu lieben. Bausch würde mit einer Vielzahl von Antworten enden, auf denen ihre Choreographie basierte. Das Werk, das diese Methodik widerspiegelt, entwickelt sich in Episoden, die teilweise wiederholt werden. Diese können die ganze Gesellschaft, kleine Gruppen oder sogar einen einzelnen Künstler einbeziehen, wie in den rätselhaften Auftritten eines Tänzers, der ein Akkordeon trägt oder in der berührenden Version von Gershwins “The Man I Love”, die früh im Stück erscheint und später wiederholt wird.
Die anfängliche Ruhe und Schönheit, mit Liebe in der Luft, wird bald gestört. Bald überprüft ein herrschsüchtiger Mann im Smoking die Herzschläge aller mit einem Mikrofon und verlangt ihre Pässe. Vier Hunde kommen mit ihren Händlern und patrouillieren den Raum, während einige der Männer, jetzt in Frauenkleidern, vorgeben, Kaninchen zu sein und durch die Blumen zu hüpfen. Dieses Idyll wird durch Chen gestört, der sie von der Bühne schickt. Bald erscheinen zwei hohe Metalltürme mit Kartons in Form von zwei massiven Würfeln darunter, während eine Frau verzweifelt versucht, zu stoppen, was passiert, obwohl sie nicht genau zu wissen scheint, was es ist. Vier Stuntmen springen dann von den Türmen auf die Kisten. Es überrascht nicht, dass dieses Szenario von Bauschs Besuch an der Berliner Mauer inspiriert war.
In Nelken erleben wir sowohl das Auf und Ab von Momenten als auch die Vielfalt der Darbietungen der Tänzer. Von Liebe über Machtspielchen bis hin zu Dramatik und Humor bietet das Stück eine breite Palette von Emotionen und Geschichten. Es zeigt, wie sich Menschen in verschiedenen Situationen verhalten und miteinander interagieren, wobei Liebe und Machtdynamiken eine Rolle spielen. Von romantischen Szenen bis zu humorvollen Momenten, von individuellen Auftritten bis zu Gruppentänzen, bietet Nelken eine faszinierende Reise durch menschliche Beziehungen und Erfahrungen. Bauschs einzigartige choreografische Vision und Arbeitsweise spiegeln sich in jeder Szene wider, wodurch das Stück zu einem kraftvollen und vielschichtigen Gesamtkunstwerk wird.